Von Till Eulenspiegel und seiner Wahrheit
Rüdiger Blankertz
Category: Philosophy, Language: D, cover: PB, pages: 35, year: 1998.
"Der Tod des Vaters macht Till zum 'Sohn der Witwe'. Die Mutter hat Till
zur Welt gebracht. Sie hat, wie jede Mutter, deshalb den Blick auf das
physische Kind gerichtet. Ihre Sorge ist das Wohlergehen Tills auf
Erden. Der Vater hingegen hat nicht das Kind, sondern die Welt im Blick.
In dieser Welt tritt ihm das Weib entgegen.
Bei der Zeugung des Kindes versenkt er in die Seele des Weibes die
Keimkraft der Welt. Das hängt mit der Art zusammen, wie der Mann
- jedenfalls in früheren Zeiten - zur Welt steht. Indem er sich mit
der Welt in seinem Berufs- und Gedankenleben auseinandersetzt,
verliert er seine Innerlichkeit, sein inneres Leben. Dieses zieht sich
auf einen Punkt zusammen, indem er sich als Ich in der Welt
behauptet. Der Geist des Vaters ist damit nicht in der Welt. Aber
indem er dem Weib begegnet, tritt ihm das entgegen, was ihm
fehlt: Die Innerlichkeit der Selbst-Empfindung des Menschen."
– Zitat, p27
"Die rechte Hirnhälfte macht sich geltend, indem sie dem von der linken gesteuerten Menschen die Möglichkeit entzieht, rational, verstandesgemäß sein Leben zu ordnen. Es passiert ihm eben dummerweise immer wieder, daß alles 'nicht klappt', wie er sich das 'Klappen' so vorstellt. Da wirkt also die rechte Hirnhälfte. Diese Wirkung erreicht aber die linke und damit das Bewußtsein nicht. Man erklärt das fatale Fiasko der Pläne und Absichten als Unfall oder Zufall, und fährt fort, sich wie vorher zu gebärden. Am Ende muß die Vernichtung des menschlichen Lebens stehen, das von der linken Hirnhälfte bestimmt wird.
Wenn nicht Till Eulenspiegel und die seinen wären! Er läßt sich die
linken Schuhe geben, führt seinen Streich aus. Damit stellt er die
Ursache des Streitens, den Verlust der rechten Seite, in das
Bewußtsein, in die linke hinein - als ein Ereignis, das zugleich ein
Bild malt. In diesem Bild erscheint, was sonst tief verborgen ist: Die
Ursache der Krankheit. Der Mensch hat nun als einen erinnerbaren
Vorgang in der linken Gehirnhälfte den fehlenden Zusammenhang
zur rechten Hälfte vor sich. Die rechte Seite taucht in Gestalt eines
Bildes in der linken Seite auf. Damit ist noch nicht die Heilung
eingetreten. Aber es besteht die Möglichkeit, von der linken Seite
her ein Verständnis der rechten zu entwickeln."
– Zitat, p34f