Von Ursprung und Grenzen der Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften
Ernesto Grassi, Thure von Uexküll
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Der Begriff Geisteswissenschaften dieses Buches meint die humanistische Sicht,
nicht Rudolf Steiners Anthroposophie; letztere wird
in diesem Buch nicht direkt behandelt. Die Lektüre des ersten Teiles
dieses Buches "Von Ursprung und Grenzen der Geisteswissenschaften" (p27-120),
von Ernesto Grassi ist dennoch empfehlenswert für Studierende von Steiners
Erkenntnistheorie (Philosophie der Freiheit (PdF)), da es die ursprünglichen,
philosophischen Grundlagen derselben aus historischer Sicht behandelt
und auch auf das erzeugende Verhältnis der menschlichen Phantasie im
Hervorbringen der Ethik ausführlich eingeht, worum es im hinteren Teil der PdF geht.
Der zweite Teil des Buches "Vom Ursprung der Naturwissenschaften" von Thure von Uexküll
ist keine historische Untersuchung, sondern behandelt das Erkenntnisproblem der Natur.
- Weil manche Dinge nur manchen Menschen in bestimmten
Augenblicken mitgeteilt werden können [...]
-- Zitat p45 (zu Grund und Bedeutung persönlicher Mitteilungen, ein Stil, wie er z.B. im Vorwort von Büchern benutzt wird)
p50: techne = ars vs. episteme = Wissenschaft (letzere
ist ohne Logos bei Plato, aber mit Logos bei
Aristoteles(?)).
p53: Definition von Glückseligkeit: Vollendung des Menschens
im Sinne einer Entfaltung seiner Fähigkeiten. (dsbzgl. sind
Naturwissenschaften nicht bildend, was vergessen wurde.)
p55: da die Einzelwissenschaft von ihren eigenen Prinzipien
ausgeht, kann sie den Erkenntnischarakter nicht selbst entscheiden.
p55: BACO von Verulam ist Beginn der Verwirrung: Erkennen und technische Erfassen wird nicht unterschieden.
p54: Naturwissenschaften können unmenschlich werden, wenn sich selbst überlassen.
p55: moderne Naturwissenschaft kann nicht Anspruch erheben,
Erkenntnis der "objektiven" Natur zu vermitteln - und kann
somit nicht Basis der Geisteswissenschaften sein, d.h. kann
keine Auskunft über den letzten Charakter der Prinzipien geben,
was aber heute noch oft geglaubt wird.
p59: Experiment = gesuchte Erfahrung, sonst ist die Erfahrung Zufall.
Naturwissenschaft: Charakter der ersten Prinzipien auch ungeklärt.
p61: über die Gültigkeit wirklicher Erkenntnis in der Naturwissenschaft.
p61: Ursprünglichkeit und Grund der Werkzeuge in der Naturwissenschaft
(zwecks besserer Beobachtung) wird vergessen und Werkzeug wird als
Absolutes betrachtet = Wurzel für Abstraktheit und Unmenschlichkeit
einer absolut gewordenen Technik (sobald Werkzeug sich selbst zum Zwecke wird).
p62: Erkennen ist Wissen um ersten Grund; in der Naturwissenschaft
geht es nur um "mittlere" Gründe.
p62: Ursprüngliche Form der Geisteswissenschaft: Gegensatz zum Rationalismus
Descartes und Gegensatz zum deutschen Idealismus.
p63: Selbstbehauptung des ganzen Menschens in der Jurisprudenz
p64: Mensch aus der Natur herausgerissen (lebt in Gemeinschaft)
und verwirklicht Triebe der Natur nicht mehr unmittelbar; dies
fordert Entscheidungen zur Selbstverwirklichung.
p64: Wissenschaft des Richtigverhaltens = Wiss. des Rechten (Ius)
p64: in der Rechtswiss. bildet sich das Menschliche zuerst
und wird so zur Geisteswissenschaft; rechten Weg aus Richtungslosigkeit
finden; Recht bedeutet ständige Entscheidung, eine Wahl (lex)
= Notwendigkeit einer "Richtung" = Gesetz = Richtungsbindung.
p65: Wissen um Lex als das Bindende = "bildend", deshalb ist
Jurisprudenz die ursprüngliche Wiss. des Menschen.
p66: Instanzcharakter des "Ius".
p66: Göttliches Recht und Naturrecht (wg. Neigung (inclinatio);
alles was den Menschen konkret "an-geht"). Inclinatio ist nicht
endgültig; bedarf Entscheidung; durch Entscheidung befiehlt
der Mensch seinen Neigungen innerhalb des Gebundenseins.
p66: Richtige Entscheidung bedeutet Voraussehen (Phronesis, Prudentia)
p66: Wissenschaft des menschlichen Rechtes = Jurisprudentia; Die drei Momente:
göttliche (institutio), natürliche (inclinatio) und menschlicher Befehl
zusammen bilden die Einheit der Mannigfaltigkeit.
p66: absolut, natürlich (physis), menschlich (iubere);
iubere: befehlen darf nur der, der das Künftige voraussieht.
physis: zur Voll-endung treibt, durch Neigung aus Gleichgültigkeit herausreisst
p67: Giovanni Battista ("Giambattista") VICO: Weisheit bei den Römern nicht an abstrakte Philosophie
sondern an Rechtswissenschaften gebunden.
p67: Coluccio SALUTATI: natürliches Gesetz (gibt Richtung und bewegt) wird
durch menschliches Gesetz (befiehlt und behauptet; verlautbart und zwingt (lex (von ligare = binden))) verkündet. Göttliches Gesetz legt fest.
p68: Mensch "bildet" (ent-faltet) sich ursprünglich nicht im Wissen,
sondern in Verwirklichung der Gesetze ==> Autorität (Selbstheit, aus Verwirklichung der eigenen Fähigkeiten)
p69: Mensch muss die Führung seines Sich-bildens selbst übernehmen. Hierbei
geht es um das Rechte und deshalb hat Geisteswissenschaft Vorrang (vor Naturwiss.).
p70: Frage nach Wesen des Menschens & Wesen des Rechten untrennbar.
p71: Der Anspruch auf Vorrang der Naturwiss. deckt sich mit politischen Lehren des Materialismus
p72: Die Erfahrung der menschlichen Weglosigkeit = Usprung der Leidenschaften
(nicht auf biologische Triebe rückführbar); in der Weglosigkeit müssen
wir uns "zu Recht finden"; daher bedarf es Experimente und wiss. Methoden.
p73: KARL MARX verweist fehlerhafterweise auf VICO um
HEGEL zu entgegnen,
geistiges Leben würde sich von Politischem und Sozialem ableiten (denn VICO
verweist auf die Aufdeckung der ewigen Bedingungen (transzendentale Struktur) des menschlichen Werdens.
p74: Herkules besiegt den Löwen, der Symbol für Urwald ist.
Jungfrau ist Symbol für das sog. goldene Zeitalter des Götterverkehrs
mit den Menschen. Materie = Hyle (Welt der Sinne) = Urgestrüpp = Orientierungsunmöglichkeit
p74: Warum tritt der Mensch aus dem Urwald (Welt der Sinne) heraus?
wegen des Schreckens der ersten Blitze. Der Mensch fühlte sich nicht mehr
"heimisch" im Wald. Er schafft Feld (Ara); dadurch wird sinnliche Welt ins Gewesene verrückt.
p74: in den Feldern entsteht erstes gemeinsames Werk der Menschen (= Ursprung der politischen Dinge);
Menschheit tritt aus der Isoliertheit seiner sinnlichen Szenen heraus.
p75: VICO: Der Mensch erkennt, dass die göttliche Vorsehung über das Heil der Menschen herrscht.
p76: Wald versinnbildlicht ursprünglichen tierischen Zustand des Menschen.
Natur bedeutet in diesem Zusammenhang, ein Lebewesen, das in die Welt der
Sinne eingebettet ist (ganz imn Gegensatz zur heutigen Naturvorstellung).
p76: Welt der Sinne ist Bereich des Subjektiven und Relativen (ständig verwandelt), ohne Objektivität.
p76: Tier braucht keine Begründung für Handlungen; deren Zielstrebigkeit versetzt in Staunen.
p77: Mensch schaltet frei, bindet frei, sammelt frei, sucht frei aus,
daher die Fähigkeit des "legein" (Logos). In der Welt der Sinne
verirrt sich der Mensch, seit er aus dem Wald heraustrat; diese
freie Auswahl schaffte Chaos. Seither ist ein Massstab ist nötig, der seinem "legein" Richtung gibt.
p77: VICO: menschliche Geschichte steht unter dem Zeichen der Jungfrau.
p78: Blitz und Donner sind Zeichen des Jupiter (nuo = nicken; göttlicher Wille = numen)
p78: sich ent-setzen kommt nicht von Angst (das haben die Tiere auch)
sondern von Phantasie, die Fabeln (Mythen) dichtet; sie sind wahr, weil sie phantastisch sind.
p79: die menschliche Welt wird anhand der Phantasie erschlossen (mit der Fähigkeit Mythen zu bilden).
p79: Phantasie verbunden mit Phänonmen der Kunst, die mit der Nachahmung verknüpft ist.
p79: Entstehung der Kunst und Wirklichkeit des Menschlichen.
Warum tritt der Mensch damit aus der Natur heraus?
p79: Mythos in der Antike? phantasie = leerer Wahn?
(ja, meint man im rationalistischen Zeitalter.)
p80: der Beschäftigung mit der Antike kommt "bildender" Charakter zu.
(NIETZSCHE legt Wert auf Begründung des Vorrangs der Antike)
p80: Begriff Mythos bei Aristoteles = Nachahmen (Mimesis); ist Wesen
jeder Kunst (poetisch, malerisch, musikalischen). Mythos ist Mimesis
von Praxis (Handlung). Praxis ist Gegenstand der Mimesis.
p81: Kinesis (Werden), führt zu einem anderen, da es seine Grenzen
(Telos, Ziel) nicht in sich selbst hat; hat keinen Bestand, sind
vergängliche Handlungen.
p82: Praxis ist jede Handlung, die in sich selbst abgeschlossen ist,
ihren Sinn in sich selbst hat; in ihr birgt die Bestimmung sich
selbst zu voll-"enden".
p82: Mythen (gedeutete, objektive(?) Wirklichkeit)
sind Interpretationen der Wirklichkeit aufgrund
des Entwurfs eines Rahmens, in dem sie Ihren Sinn erhält.
p87: Mimesis ist die ursprüngliche Form in der der Mensch
sich "bildet" und zu seinen Erkenntnissen gelangt. (Aristoteles: Nachahmen macht Freude.)
p88: Salutati: in menschlicher Gemeinschaft soll Recht/Gesetz die "Nachahmung" des Göttlichen sein.
p88: imago, similitudi, imitatio: damit das menschliche Leben
nicht tierisch wird, muss es "Ebenbild" des Göttlichen werden.
p89: Urwald = ursprüngliche Sicherheit der Triebe und Instinkte (ohne Zweifeln und Zaudern)
p89: Mensch tritt aus der Natur heraus indem er (mittels
seiner Phantasie) ihre Gesetzmässigkeit (ihre Gebundenheit) "sieht".
(siehe auch Steiners PdF, die verglichen damit als ein Kondensat des hier beschriebenen wirkt.)
p90: durch Praxis aus der Natur heraustreten, sonst könnte der Mensch nicht
Beobachter sein und Experimente erübrigten sich.
p90: Leidenschaft reisst uns aus Benommenheit heraus. Diese Ereignis
ist Erfahrung des Mythos (Fabel). Sie reisst uns in eine neue Ordnung
<--> wo natürliche Ordnung Chaos wird.
p90: durch den Mythos erfahren wir den Zwang neuer Bedingungen, durch
die wir überhaupt erst aus der Natur heraustreten; dies muss immer
wieder von neuem geschehen als An-forderung in Konkurrenz mit
den Anforderungen der Sinne. Letztere alleine führen nicht mehr zum menschlichen Ziel.
p90: sinnliche Szenen nachahmen = Sinnlichkeit beherrschen; nur
durch Nachahmung erfahren wir den Sinn und Bedeutung der aufretenden
Phänomene (erste Stufe der Erkenntnis der Naturgesetze (Teil der Biologie)).
- [D]as Ziel, dem wir die Handlungen der sinnlichen Welt unterstellen
müssen, erfahren wir zunächst nur in der Gewalt, die uns
immer wieder aus der ursprünglichen Ordnung der Triebe herausreisst,
also nur negativ, insofern als das neue Ziel nicht das Ziel der
biologischen Welt ist. Hier tritt die menschliche Phantasie
auf und entwirft im Mythos, in der Fabel den Rahmen einer neuen
Handlung, und damit setzt sie uns das neue Ziel, in Hinblick
auf das wir das triebhafte Leben ordnen müssen. Also die Phantasie
setzt unserem Tun neue Bindungen, nach denen wir uns richten:
dies ist aber wieder ein Nachahmen, allerdings auf einer neuen Stufe
im Gegensatz zu der, auf der wir nachahmen, um die Gesetzlichkeit
der sinnlichen Welt kennenzulernen.[...]
Im Experiment, das die sinnliche Welt der Erkenntnis erschliessen will, - in der ersten Form der Nachahmung, können wir sagen - ist unser Erkenntnisdrang nur an der biologischen Natur interessiert, denn auch unerkannt vollzieht sich das Werk der Sinne; das Misslingen dieses Experiments betrifft unsere Existenz nicht unmittelbar. Der Organismus vollzieht im biologischen Leben Hunger, Müdigkeit und Schlaf, auch ohne dass wir wissen, worum es sich dabei handelt. Das andere Experiment aber entscheidet über das Gelingen oder Versagen unserer Existenz als Menschen.[...]
Also die menschliche Wirklichkeit vollzieht sich in einer doppelten Nachahmung: die Nachahmung der Natur um unserer biologischen Existenz willen, die gerade fuer den Menschen auf die mannigfaltige Weise bedroht sein kann, und der Nachahmung der verborgenen Gesetzlichkeit menschlicher Handlung um unser menschlichen Existenz willen.
Die Leidenschaften des Menschen, der das Ent-setzt-werden aus der natürlichen Wirklichkeit erleidet, sind nicht weniger intensiv, weniger ergreifend als im triebhaften Leben. [...] Denn es geht um die Sorge, ob wir die neue entstehende Welt aushalten, es geht um eine Verzweiflung und um eine Angst, die das in der Handlung der Natur geborgene Tier nicht kennt. Es geht um die Leidenschaft der "Selbst-behauptung" in dem neu sich eröffnenden Raum des natürlichen Lebens. [...]
Erst nachdem der Mensch dieses Entsetzt-werden durch die Phantasie erfahren hat und auf ursprüngliche Weise Mensch "geworden" ist (d.h. sich "gebildet" hat, - dies war ja unser ursprüngliches Problem), kann er beginnen, sich menschlich zu verhalten und ein "ethisches" Leben zu verwirklichen. Denn Ethos bedeutet ja, in der neuen Welt die rechte Haltung einzunehmen. Nur einer, der eine solche Bindung in der Phantasie durchgemacht hat, kann auch nach neuen Bindungen, nach dem Grund der Dinge fragen, philosophieren, etwas beweisen und begründen. [...] Der Mensch aber, der die Phantasie verliert, verirrt sich in eine neue Barbarei, denn ausgestossen aus der ursprünglichen Geborgenheit der Natur, ist er nur noch sich selbst überlassen. Wen die Phantasie nicht im Schrecken oder in der Hoffnung zur Schau des neuen Rechten führt, der klammert sich an die ersten besten Gründe, um daraus zu handeln, und so ist er unberechenbarer und haltloser als das Tier.
-- Zitat aus p91-93 (Hervorhebungen durch von EG)
p95: Aristoteles: [sinnliche] Wahr-nehmung = empeira (entspricht nicht unserer heutigen
Empirie) kann nicht falsch sein, da sie keine wissenschaftliche Massstäbe (technai)
voraussetzt (im Gegensatz zum Eperiment)
p96: PLATO: Sinne erlauben keine Unterscheidung Traum/Wachen.
Welt der Sinne = phainestai (reines Erscheinen); so auch bei Descartes und
Hume.
p97: Entwicklung der Technik in pessimistischer Auffassung ist nur Entfaltung
eines bösen Traumes dessen Thema Leiden und Vernichtung sind.
p98: "Sich-zu-Recht-finden" und "zu Rande" kommen - wenn wir mit etwas
fertig werden.
p99: Was Sinne vermitteln, stellt "An-forderungen" womit wir
"fertig"-werden oder "zu Rande" kommen müssen, sonst wird es "unheimlich".
p99: Menschlich vs. technisch "zu Rande" kommen
p99: Das Scheitern des Prinzips der Quantität
p100: Wenn das Objektive uns auf einen Weg zwingt auf dem das Ende
uns bereits im Anfang "an-geht".
p101: dass nicht wir zu einem vorausgesetzten Ziel gehen, sondern
dass uns in jedem Beginn bereits dessen Ende "an-geht".
(Alles Erscheinende -in Einzelwissenschaften- hat bereits seinen eigenen Rand.)
p102: Naturwiss. führen wir nur indirekt zum Rande des Phänomens des Menschlichen.
p103: Rolle der Phantasie in Naturwiss. = Rahmen entwerfen innerhalb
derer verschiedene Einzelwiss. einen gemeinsamen Sinn haben; dies
muss sich vor dem Objektiven verantworten.
p103: (siehe "?")
p103: der Rahmen, der sich eignet Traum von menschlicher Wirklichkeit
zu unterscheiden ist die Zeit.
p104: wir erfahren den Rand der menschlichen Wirklichkeit in der Form der Zeit, d.h.,
ständige Gegenwart eines bedrängenden Randes = Wurzel aller Objektivität.
p104: Unterscheidung Noch-nicht/Nicht-mehr erzeugt Gegenwart.
p104: Unterschiedliche Zeitbegriffe: biologische # physikalische # menschliche Zeit
p104: Der Tiere Rand ist ständige Gegenwart ihres Gebundenseins, deshalb
ist deren Welt weder unheimlich noch führt sie zu Irrtümern.
p104: jede Handlung eines Tieres ist zeitgemäss (Triebe wickeln sich automatisch ab).
p105: für den Mensch ist die Zeit nicht die Zeit seiner Triebe
(weder sind Triebe zeitgemäss noch Zeit triebgemäss).
p105: Beim Erwachen aus dem Traum muss die Zeit künstlich neu konstruiert werden.
Daher kommt das Irren, denn der Mensch kommt nicht mit seinen Sinnen zu Rande.
p105: Unsere Zeit ist nur eine Aufgabe uns in ihrer Objektivität zu bewähren.
Wenn Aufgabe verfehlt (unzeitgemäss gehandelt) bedeutet: unsere Phantasie hat sinnlose Mythen entworfen.
p105: Erstes Erscheinen des Individuums: durch Entscheidungsdrang, eigene
Massstäbe zu wählen, wird etwas Unteilbares - aus der anonymen biologischen
Gattung heraus - auf sich selbst gestellt.
p105: Ohne eigenen Massstab bleibt der Einzelne nur Moment der Gattung.
p105: Heros tritt aus der Anonymität heraus, wenn er Mythen schafft, in denen
ganze Generationen von Völkern leben können.
p106: VICOs Tat des Herkules = Beginn der Zeitrechnung der Griechen.
p106: im Wachsein herrscht durchgehende Zeiterfahrung mit Einbau jeder Einzelerscheinung.
p106: Wirklichkeit = durchgehende Gegenwart der menschlichen Zeit. (Träume dagegen sind zusammenhangslos.)
p106: Jetzt/zu früh/zu spät
p106: Gemeinschaft Tierstaat vs. Menschen müssen gemeinsamen Massstab finden,
nach dem das Werk der vielen sich vollenden kann.
p106: Den Rand des Menschlichen, der den Auftrag einen gemeinsamen,
bewährungstauglichen Massstab zu finden, bestimmt, finden wir in der Zeit.
p106: Die Rede entsteht erst mit dem "Zeit-wort". Setzt die Rede Zeit voraus?
p107: Verständnis setzt Gemeinsames voraus. Die Sinne ermitteln nichts
Gemeinsames. (Die "technische" Festlegung der Bedeutung der Wörter scheitert
an vorausgehender Verständigungsmöglichkeit.)
p107: Einzig gemeinsamer Grund der Sprache: Das Zeit-wort als Ausdruck der Grunderfahrung des objektiven Seins.
p107: Der Zwang auseinanderstrebende Einzelerscheinungen zusammenzuhalten ist der Ursprung
des Ausdruckes "legein" und "logos" (Rede, Grund, Bildung) = lesen (im Sinne von auslesen)
p107: Zeit-wort = "rema" (reo = fliessen)
p107: im Fluss etwas festhalten
p108: Zeiterfahrung = Rand nicht erreichen, sondern immer ein zu Früh/zu Spät erfahren.
p108: Fliessen zeigt die eherne und unbewusste Gegenwart der Ewigkeit an - und dies
ist in Wahrheit der Rand, der uns angeht.
p108: Mythos: das Seiende im Ganzen zu deuten
Sprache: sinngebende Welt bzgl. Massstäbe zum Zu-recht finden in der Wirklichkeit.
Ethik: Lehre der Bindungen.
Politik: Verwirklichung des menschlichen Werkes innerhalb konkreter, historischer Situation.
p108: Logos = fabula (lat.) = favella (ital.) = mutus (lat.) = stumm: Mythen entstanden in den stummen Zeiten im Geiste. Logos = Gedanke = Wort.
p110: Ursprung des Begriffes Tugend (Selbstbehauptung den Leidenschaften gegenüber):
Gerechtigkeit, Klugkeit, Mässigkeit, Stärke, Ehe).
p110: Das "Eigentümliche" des menschlichen Wesens ist seine menschliche Autorität.
(Die kann auch Gott dem Menschen nicht nehmen, ohne sein Werk zu zerstören.) Durch
menschliches Wirken entsteht Eigentum.
p111: Verhalten (Ethos)
p111: Aristoteles: Def. von Drama: Tragödie = Nachahmung von Handlung; jede Handlung
ist etwas Ganzes; Drama weckt Leidenschaften der Angst und des Mitleides.
Drama soll von Leidenschaften reinigen (Katharsis); Leidenschaften werden durch Leidenschaften "gereinigt".
Angst und Phantasie sind nötig zur Erschaffung vvon Mythen.
p112: Zwei Typen der Leidenschaften: 1) triebhafte, denen der Mensch unterworfen ist.
2) Leidenschaft der Phantasie aus dem Entsetzt-werden (durch Herausriss aus der Natur).
p112: Zuschauer des Dramas empfindet Mitleid und Furcht [eleos und phobos,
nach der Übersetzung von LESSING; besser wäre Jammern/Rührung und Schaudern/Schrecken],
welches Ausdruck der selben Leidenschaften ist, die die Aufgabe des Mensch-werdens angeht.
p113: Reinigung beruht (laut Aristoteles) auf Verwandlung der Leidenschaften in tugendhafte
Fähigkeiten (extremwertausgleichend (zuviel/zuwenig)
für beide Pole: Mitleid und Furcht vor Unglück) durch Tragödie.
p113: Artistoteles: Das Mass das die Einheit (Mythos des menschlichen Daseins) als Praxis setzt.
LESSING: Mimesis tes praxeos.
p115: (Die Reinigung) Ethische Handlung hat ursprünglich nichts mit moralischem
Verhalten zu tun, sondern mit der Verwirklichung des menschlichen Daseins überhaupt.
p115: Reinigung durch Furcht und Mitleid von Überwältigtsein durch
sinnliche Triebe. Furcht und Mitleid werden dabei auch überwunden, indem
auch sie ihr Mass erhalten, indem die Menschen ihnen entsprechen.
p116: Wurzel des Ethischen ist in der Phantasie. Leidenschaften, Furcht, Mitleid sind
Wegweiser bei der Nachahmung der mythischen Handlung.
p116: Mitleid zeigt uns wie wir uns richtig Verhalten zu anderen, indem
es vermittelt, dass der Untergang des anderen uns selbst in unserem eigenen Wesen
angeht, - weil wir entweder miteinander bestehen oder miteinander untergehen.
p116: in den aufgestellten Mythen selbst hat Furcht und Mitleid eine
andere Bedeutung: sie zeigen die Fragwürdigkeit menschlicher Entwürfe,
die die Objektivitt verfehlen und im Verderben enden; die Furcht zu erfahren,
wie gefährlich das Experiment Mensch ist, wie leicht wir uns im Rahmen irren,
der uns die Wirklichkeit deuten soll.
p116: Mythen entworfen von den Vätern erweisen sich oft erst bei den Enkeln als falsch.
(ins traditionelle verstrickt, bewältigt man die Wirklichkeit seiner Zeit nicht mehr.)
p117: Kriterium für sinnvolle Mythen/Entwürfe
p118: Agathon, das "Gute" = Glückseligkeit (frei von psychischen Deutungen
zu denen wir heute neigen.)
p118: Aristoteles: es muss ein letztes Ziel geben, nur um seiner selbst willen.
p119: Gleichgültigkeit der Weglosigkeit wird durch Stachel der Triebe überwunden.
p119: zur Überwindung bilden wir Massstäbe für Raum und Zeit und führen Experimente
durch. All diese Handlungen begeht der Mensch weil ihn etwas Neues an-geht.
p119: Experiment = erproben (SANTOS*: "ex pericula ire")
der Gültigkeit gefundener Grenzen ==> (vor jeder pessimistischen oder optimistischen These ist)
Agathon ist als Massstab die Voraussetzung
für die "menschliche" Erfahrung (transzendentale Bedingung der menschlichen Wirklichkeit).
p119: Eudaimoni = alle an den Menschen gestellten Anforderungen richtig zu verteilen,
in seine "rechten" Grenzen rücken, in Wirklichkeit einordnen. (dies erst schafft Basis
für pessimistische und optimistische These.)
p120: Fazit: Geisteswissenschaft ist kein "Wahn" im negativen Sinne, sondern
Wesen der menschlichen Wirklichkeit.
Anmerkungen:
*) EG gibt nur "Philosoph SANTOS" an; es konnte kein verlässlicher Kanditat gefunden werden; evtl. könnte
José Manuel Santos Ascarza OCD
oder Juan Santos Atahualpa gemeint sein.
Eine umfangreiche Besprechung dieses Buches ist enthalten in "Vermutungen und Widerlegungen" von Karl R. Popper, Kap. 20 "Humanismus und Vernunft", p546ff, enthalten. Auf das Buch wird auch verwiesen in "Naturwissenschaft als subjektlose Macht?" von Klaus Spiekermann (in Kap. "Mathematisierung der Natur", p183).
und in "Begriff und Wirkensweise des menschlichen Ätherleibes" von Hermann Poppelbaum (in "Erscheinungsformen des Ätherischen"), Zitat HP:
- Anders ausgedrückt, es ist vergeblich, sich ein Lebendiges gedanklich zu
konstruieren, wenn man von der als "objektiv" angenommenen Systemvorstellung der
Physik ausgeht. Man kann die Sondergesetzlichkeit des Lebendigen so nicht fassen
[Anm.: Zitat HP: "Dies hat Th. v. Uexküll
in dem mit E. Grassi gemeinsam verfaßten Buch "Von Ur�sprung und Grenzen der Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften ". Bern 1950, S. 138-139, treffend auseinandergesetzt."]