Spiegel, Schwert und Edelstein
Kurt Singer
Finde dieses Buch bei buch7.de | eurobuch.com | buchhandel.de | books.google.com ASIN=351811445X, Category: History, Language: D, cover: PB, pages: 334, year: 1991.
"Der Hamburger Ökonomieprofessor Kurt Singer lehrte von 1931 bis 1938 in Japan.
Er kam auf Einladung der
Kaiserlichen Universität nach Tokyo, Hitlers Machtergreifung versperrte ihm
den Rückweg. Er blieb, mußte von Tokyo
nach Sendai ausweichen, bis er das Land kurz vor Kriegsausbruch in Richtung
Australien verlassen konnte. Dort
entstand das Manuskript zu dem hier vorgestellten Buch. Es zählt, um es vorweg
zu sagen, zu den besten Büchern, die über Japan geschrieben worden sind."
-- Zitat aus der Buchbesprechung von
Jörg Matysik
Hier ist eine ausführliche Biographie Kurt Singers in deutsch: http://www.jdg-sendai.jp/Teil/Teil3_Germany.pdf
Rezension © (2004) by interesting-books-selector.com
Das Buch ist leicht verständlich geschrieben und doch voller Lebenserfahrung und von beachtlicher Beobachtungsschärfe, die selbst Japanern helfen könnte ihre eigene Kultur besser zu verstehen, falls sie einen Antrieb dazu verspüren. Ein so vergessener Autor verdient ein paar mehr Zitate als sonst üblich.
"Antagonismus und Streit werden
[in Kurt Singers Buch "After Forty Years of Concord in Conflict", 1949]
nicht als das blosse Ergebnis gesellschaftlicher Bedingungen und ökonomischer
Verhältnisse gedeutet, sondern als Grundgegebenheit aus dem Wesen
und den Anfängen des menschen hergeleitet. Ähnlich wie in dem
vorliegenden Japanbuch deckt Singer darin Schicht um Schicht des
mythischen Erbes auf, das der moderne Mensch mit sich trägt, ohne viel
davon zu wissen."
-- Zitat von Wolfgang Wilhelm
aus der Einführung von "Spiegel, Schwert und Edelstein", p19.
Singer war von Henri Bergsons Philosophie fasziniert. (siehe "Les deux Sources de la Morale de la Religion", 1932; in deutsch "Die beiden Quellen der Moral und der Religion"; in englisch The Two Sources of Morality and Religion")
"Bergson betont, dass auch die "natürliche Gesellschaft" nur dann
Bestand haben kann, wenn das Verhalten ihrer Mitglieder
Traditionen und Verpflichtungen unterworfen ist, die so etwas
wie einen permanenten Druck auf das Individuum ausüben ...
Glaube, Kult und Mythos sind daher lebenswichtige Phänomene,
die an die Stelle biologischer Funkionen traten."
-- ibid, p22/23
Auf der Seite 23 geht es dann in wenigen, [zumindest für Rudolf Steiner bewannte Leser] schlüssigen Zeilen von den zentrifugalen Strebungen des Individuums über Moralentwicklung als Instinktersatz zu uns anleitenden Wesenheiten der Urreligion, über materielles Streben zu den Seelen geistiger Führer, d.h. Ausnahmemenschen, die zur Freiheit fanden, deren Moral nicht durch gesellschaftlichen Druck und anonyme Sitte bedingt ist, sondern deren Anziehungs- und Ausstrahlungskraft uns die wahre Bedeutung des Lebens offenbart.
"Selbstreflexion und Selbstentscheidung des einzelnen
hat diese [japanische] Kultur, die vom Individuum
unaufhörlich Selbstbescheidung und Selbstentäusserung
verlangte, nur spärlich fördern können."
-- ibid, p24
"..., dass nur derjenige andere wirklich zu verstehen vermag,
der sich selbst als ein begrenztes Wesen besonderer Art kennt."
-- ibid, p25
"Die Japaner hingegen ruft er dazu auf, den Anspruch
aufzugeben, Mitte der Welt, verlorenes und künftiges Paradies
und Hüter von Erlösungsformeln zu sein.
-- ibid, p26
"Hier ist dem reinsten Metall zu tönen, dem edelsten Stein im Feuer der hohen
Sterne zu strahlen, im Tiefsten versagt."
-- ibid, p26 (In der Einführung zitiert aus Kurt Singer,
"Bericht über die japanischen Jahre", 1957)
"Die Geschichte lehrt, dass starke Bestrebungen, die tief in der Vergangenheit
verwurzelt sind, leicht ihre Wirksamkeit steigern, proportional zu der Kraft
des Widerstandes, der ihnen in den Weg gestellt wird. Ein Volk lässt
sich nicht mittels Methoden reformieren. ... Auch die Einsetzung
neuer Modelle der Verfassungs- und Verwaltungsmaschinerie reicht
nicht aus, den Frieden zu sichern; denn er ist eine Geisteshaltung
und keine technische Einrichtung."
-- Kurt Singer, "Spiegel, Schwert und Edelstein", p33
Auch im Kapitel über die japanische Familie ist erstaunliches zu lesen:
"Nach alter Sitte war [die Frau] die unbestrittene Herrscherin
über alle wirtschaftlichen Belange des Hauses. Üblicherweise
übergibt ihr der Mann sofort nach Erhalt seinen Lohn oder sein
Gehalt und bekommt von ihr ein bestimmtes Taschengeld zugeteilt.
... Hinter der Fassade absoluter Unterwürfigkeit verfügt sie
über einen Einfluss, der durchaus mit der tonangebenden Stellung
der französischen Frau* verglichen werden kann, und dies nicht
nur in Haushaltsdingen. ... Es entsteht oft der Eindruck,
als hegten die japanischen Männer ähnliche Gefühle" [wie
die chinesischen Männer, die Frauen so sehr unterdrücken,
weil sie uns sonst vollends beherrschen würden.]
-- ibid, p177/178
Und das folgende ist zu schön, um unzitiert zu bleiben, denn es bestätigt aus einer anderen Sicht heraus den französischen Philosophen des 19.ten Jahrunderts, Frederic Bastiat:
"Jeder Versuch, eine neue Gesellschaft zu schaffen,
die auf den demokratischen Idealen der Gleichheit,
Freiheit und Brüderlichkeit beruht, bleibt zum Scheitern
verurteilt, solange diejenigen, die dieses edle Vorhaben
zu verwirklichen suchen, nicht erkennen, dass sie mühselig
gegen Anlagen ankämpfen, die die Natur der Menschheit schon
in die Wiege gelegt hat."
-- ibid, p183
"Überhaupt ist es ein Irrtum anzunehmen, dass die Japaner
von Natur aus weniger selbstsüchtig, ich-betont und eigenwillig
seien als Westländer. Unter der schimmernden und glatten
Oberfläche klassisch-geformter Sitte schlummert eine latente
Urfeindschaft zwischen Mensch und Mensch, bereit, bei der leisesten
Reizung aufzuwachen."
-- ibid, p187
*) [Die folgende Anmerkung ist nicht Buch nicht enthalten] Eine "Fassade der 'Unterwürfigkeit'" zu wahren hat die Französin allerdings nicht nötig. :))